John Money – ein aufklärerischer Forscher?

John Colapinto

Zur Einführung

Nach Alfred C. Kinsey zählt auch John Money, zeitweise selbst Forscher am Kinsey-Institut, zu den einflussreichsten Sexualwissenschaftlern der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Money gilt als Lichtgestalt der Gender Theorien, als einer der wenigen Forscher, die wirklich „dem aufklärenden Auftrag der Forschung gerecht“1 werden würden. Wurde er diesem Anspruch gerecht?

John Money vertrat die These, dass es keinerlei wesensmäßige Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen gäbe und Männlichkeit und Weiblichkeit nur erlernte Geschlechtsrollen seien. 

Um diese These zu untermauern versuchte Money, einen der beiden männlichen Zwillinge der Familie Reimer als Mädchen aufzuziehen. Dem Jungen war nach einer missglückten Beschneidung der Penis abgefallen. Auf Moneys Anweisung hin wurden bei dem Jungen auch die Hoden entfernt. Er würde, so Money, als glückliches Mädchen aufwachsen. Das Gegenteil trat ein: Das kratzbürstige, widerständige „Mädchen“ wehrte sich solange, bis die Eltern ihm im Alter von 14 Jahren die Wahrheit sagten. Fortan lebte das Kind wieder als Junge, dann als Mann. Dennoch begleitete ihn eine tiefe Scham über sein beschädigtes Selbst bis zuletzt. Im Alter von 38 Jahren nahm er sich das Leben. 

Moneys gescheiterte These wird weiterhin als „wissenschaftliche Fundierung“2 der Gender Theorien und damit auch des Gender Mainstreaming aufrechterhalten. Hartnäckig wird im Gender Mainstreaming wiederholt, dass Männlichkeit und Weiblichkeit nur „sozial konstruierte“ und deshalb beliebig veränderbare Geschlechtsrollen seien. Wissenschaftlich ist diese Sicht längst überholt.

Wer war John Money? Neben der These von der rein sozialen Konstruktion von Männlichem und Weiblichem setzte sich Money für eine Akzeptanz pansexueller Lebensformen ein, wie der folgende Buchabschnitt aus „Der Junge, der als Mädchen aufwuchs“ von John Colapinto3 zeigt. Money, der bisexuell lebte, setzte sich intensiv für die „Normalisierung“ von sexuellem Missbrauch an Kindern ein. In einem Interview4, das er 1991 dem pro-pädophilen Journal Paidika gab, vertrat er die Auffassung, Pädophilie könne etwas völlig „Normales“ sein. (crv) 

John Money – Ein Abschnitt aus „Der Junge, der als Mädchen aufwuchs“

In der Zeit, als John Money mit dem Problem der Familie Reimer zu tun bekam, war er bereits ein weltweit angesehener, wenn auch nicht unumstrittener Sexualforscher. Geboren 1921 in Neuseeland, war er im Alter von 25 Jahren nach Amerika gekommen, hatte an der Universität Harvard in Psychologie promoviert und war dann an das Johns-Hopkins-Krankenhaus gekommen, wo er als Wissenschaftler und Spezialist für Sexualwissenschaft einen kometenhaften Aufstieg nahm. 15 Jahre nach seinen Anfängen am Johns-Hopkins-Krankenhaus war er bereits weithin bekannt als der Mann, der den Begriff der „Geschlechtsidentität“ geprägt hatte, um das Selbstgefühl eines Menschen als männlich oder weiblich zu beschreiben. Er galt als die weltweit unangefochtene Autorität, wenn es um die psychologischen Auswirkungen uneindeutiger Genitalien ging, und machte mit seiner Gründung des Instituts für transsexuelle Operationen innerhalb des Johns-Hopkins-Krankenhauses weltweit Schlagzeilen. 

Wie sein gekonnter Auftritt in This Hour Has Seven Days zeigte, war Money auch ein beredter PR-Mann in eigener Sache. „Er kann unheimlich gut reden, ist gut organisiert und kann einen Fall sehr überzeugend darlegen“, meint der Kinderpsychiater Dr. John Hampson, der Mitte der Fünfzigerjahre zusammen mit seiner Frau Joan zahlreiche bahnbrechende Aufsätze Moneys über die geschlechtliche Entwicklung mitverfasst hatte. „Er hatte, glaube ich, viele Neider. Eine so charismatische Persönlichkeit wie er ist eben bei manchen nicht beliebt.“

Money hatte sich allerdings sein oftmals übersteigertes Selbstvertrauen hart erkämpft. Seine Kindheit und Jugend im ländlichen Neuseeland war von Ängsten, persönlichen Tragödien und frühem Scheitern geprägt. Er war der Sohn eines australischen Vaters und einer englischen Mutter, die der Brethren Church angehörten, ein schmächtiges, zartes Kind. Aufgewachsen in einer streng religiösen Atmosphäre, die er später spöttisch als „hermetisch dicht und religiös dogmatisch“ bezeichnete, entwickelte er schon früh ein Gefühl der geistigen Überlegenheit. An seinem ersten Schultag im Alter von fünf Jahren wurde er von Rowdys überfallen, vor denen er sich zu einer Cousine in die Spielhütte der Mädchen flüchtete, wo todsicher niemand einen Jungen vermutete. „Da ich keine Kämpfernatur war“, schrieb Money später, „musste ich die anderen Kinder durch schulische Leistungen übertrumpfen. Das fiel mir leichter als den meisten anderen.“ 

Moneys Schwierigkeiten in der Kindheit wurden durch eine problematische Beziehung zu seinem Vater noch verstärkt. Sechzig Jahre später beschrieb er seinen Vater mit kaum verhohlenem Hass als einen brutalen Kerl, der mitleidlos die Vögel abschoss und tötete, die in seinen Obergarten eindrangen, und der seinen vierjährigen Sohn wegen einer zerbrochenen Fensterscheibe einem „schikanösen Verhör“ unterzog und „auspeitschte“. Dieses Erlebnis, so Money, prägte seine lebenslange Abneigung gegen „männliche Brutalität“.

Money war acht Jahre alt, als sein Vater an einem chronischen Nierenleiden starb. „Mein Vater starb, ohne dass ich in der Lage gewesen wäre, seine ungerechtfertigte Grausamkeit zu vergessen oder zu vergeben“, schrieb Money. Erst drei Tage nachdem der Vater ins Krankenhaus gebracht worden war, erfuhr er von dessen Tod. Money erlitt einen Schock, der sich nur noch verstärkte, als ihm ein Onkel sagte, er müsse jetzt der Mann im Haus sein. „Eine schwere Aufgabe für einen Achtjährigen“, schrieb Money. „Für mich war es eine ungeheure Belastung.“ Als Erwachsener lehnte er die Rolle als „Mann im Haus“ strikt ab. Nach einer kurzen Ehe, die Anfang der Fünfzigerjahre durch Scheidung endete, blieb er unverheiratet, und er hatte auch keine Kinder.

Nach dem Tod seines Vaters wuchs Money ausschließlich unter Frauen auf. Verantwortlich für seine Erziehung waren seine Mutter und seine unverheirateten Tanten, deren männerfeindliche Ausfälle ebenfalls eine bleibende Wirkung auf den Jungen ausübten. „Ich litt unter der Schuld, männlichen Geschlechts zu sein“, schrieb er. „Ich trug die Kainsmale der abscheulichen männlichen Sexualität“: Penis und Hoden. Im Licht von Moneys späterem Ruhm auf dem Gebiet der Geschlechtsumwandlung von Erwachsenen und Kindern hat seine folgende Bemerkung etwas Verstörendes an sich: „Ich fragte mich, ob die Welt für Frauen nicht ein besserer Ort wäre, wenn man nicht nur die Tiere auf dem Bauernhof, sondern auch Menschen männlichen Geschlechts kastrieren könnte.“

Als Heranwachsender zog er sich zurück und hegte eine Leidenschaft für Astronomie und Archäologie. Er hatte auch musikalische Ambitionen, musste aber enttäuscht feststellen, dass er es nie weiter als zu einem begabten Amateurmusiker bringen würde. Als Student an der Victoria-Universität in der neuseeländischen Hauptstadt Wellington entdeckte er eine neue Leidenschaft, auf die er jetzt seine verhinderte Kreativität lenkte: die Psychologie. Wie viele Studenten, die Geist und Gefühle des Menschen wissenschaftlich erforschen wollen, suchte auch Money in diesem Fach Antworten auf bohrende Fragen über sich selbst. Seine erste ernst zu nehmende Arbeit in Psychologie, seine Magisterarbeit, schrieb er über das Thema „Kreativität bei Musikern“. „Ich fing an“, so Money, „meinen geringen Erfolg auf diesem Gebiet durch den Vergleich mit anderen Musikstudenten zu erforschen.“

Seinem wenig später gefassten Entschluss, sich auf die Sexualpsychologie zu spezialisieren, lagen ähnliche persönliche Motive zu Grunde. Er hatte dem religiösen Glauben seiner Eltern radikal den Rücken gekehrt und reagierte mit zunehmender Schärfe auf das, was er als die repressive religiöse Engstirnigkeit seiner Erziehung betrachtete. Das Studium der Sexualität, das selbst die absonderlichsten sexuellen Praktiken der moralischen Beurteilung enthob und in das „reine“ Reich der wissenschaftlichen Forschung hinüberführte, war für Money ein Akt der Befreiung. Ab Mitte zwanzig war er ein glühender Verfechter der Erforschung und Erkundung der Sexualität. Mitte der Siebzigerjahre, auf dem Höhepunkt der sexuellen Revolution, trat Money als Befürworter der offenen Ehe, des Nudismus und anderer, raffinierterer Formen sexueller Freizügigkeit auf. „Es gibt zahllose Beweise dafür, dass bisexueller Gruppensex eine ebenso große persönliche Befriedigung verschaffen kann wie eine Paarbeziehung, vorausgesetzt, die Partner sind auf dieselbe Wellenlänge eingestellt“, behauptete er in seinem Buch Sexual Signatures. An anderer Stelle beschrieb er sein eigenes Intimleben als zwanglos und eklektizistisch, als „ein Nehmen und Geben in flüchtigen sexuellen Beziehungen und wohlwollender Gemeinschaft mit gleich gesinnten Partnern, Frauen wie Männern“. 

In seiner Rolle als „agent provocateur der sexuellen Revolution“ (wie ihn die New York Times im Jahr 1975 nannte) schwelgend, ließ Money kaum eine Gelegenheit aus, sein Evangelium der sexuellen Befreiung zu verkünden; etwa als er einer Studentin nach einem Vortrag an der Universität von Nebraska von der gesteigerten sexuellen Lust unter Schwarzlicht vorschwärmte; als er vor Gericht als Sachverständiger auftrat und den 1973 entstandenen pornografischen Film Deep Throat als „Läuterung“ pries und behauptete, der Film könne Ehen kitten; oder als er für die New York Times Kolumnen schrieb, in denen er eine „neue Moral des Freizeitsex“ forderte. Ein in den Siebzigerjahren von Money wegen einer seltenen Hormonstörung behandelter Patient erinnert sich, dass der Psychologe ihn einmal beiläufig fragte, ob er schon einmal eine „goldene Dusche“ erlebt habe. Der sexuell unerfahrene Jugendliche wusste gar nicht, was Money meinte. „Wenn man vollgepinkelt wird“, verkündete Money unbekümmert und mit einem augenzwinkernden, viel sagenden Lächeln, mit dem er solche absichtlich provozierenden Bemerkungen gern zum Besten gab. 

Überzeugt, dass das Tabu bestimmter Wörter die Prüderie fördert, nahm er die Wörter „ficken“, „Schwanz“ und „Fotze“ in sein normales Vokabular im Umgang mit Kollegen und Patienten auf. Dr. Fred Berlin, Professor für Psychiatrie an der Medizinischen Fakultät der Johns-Hopkins-Universitätsklinik und ein Kollege, der Money zu seinen wichtigsten Mentoren rechnet, verteidigt Moneys Vorliebe für sexuelle Freimütigkeit. „Er hält es für wichtig, die Leute beim Gespräch über sexuelle Themen zu desensibilisieren“, sagt Berlin. „Er gebraucht manchmal unanständige Wörter, die für andere etwas Anstößiges haben. Vielleicht könnte er manchmal etwas kompromissbereiter sein, aber John ist eben ein eigenwilliger Mensch, der keinen Anlass sieht, die Dinge anders zu machen als so, wie er es für richtig hält.“

Während Moneys Ideen über den optimalen Umgang mit Fragen der Sexualität Mitte der Siebzigerjahre nur Erstaunen hervorriefen, schlug ihm zu Beginn der konservativeren Achtzigerjahre eine Welle der Entrüstung entgegen, als er sich in Bereiche vorwagte, die auch viele verwegene Sexualforscher mit Skepsis betrachteten. 1986 veröffentlichte er Lovemaps, eine umfassende Studie zu bestimmten Praktiken wie Sadomasochismus, Koprophilie, Amputationsfetischismus, Selbststrangulierung und andere Verhaltensweisen, die er nicht als Perversionen, sondern als „Paraphilien“ bezeichnete, um sie zu enttabuisieren und zu entkriminalisieren. Ganz besonders interessierte er sich für Pädophilie, ein Thema, das er mit sichtlichem Vergnügen in der Öffentlichkeit erörterte. 

„Eine sexuelle Kindheitserfahrung“, erklärte er dem Time Magazine im April 1980, „etwa als Partner eines Verwandten oder einer älteren Person, muss sich auf das Kind nicht unbedingt negativ auswirken.“ Auch der holländischen Zeitschrift für Pädophilie Paidika, die Werbeanzeigen für die nordamerikanische Man-Boy Love Association und andere pädophile Gruppen druckte, gab er ein Interview. „Wenn ich mit dem Fall eines zehn- oder zwölfjährigen Jungen zu tun hätte, der sich zu einem zwanzig- oder dreißigjährigen Mann stark hingezogen fühlt, und wenn diese Beziehung und auch die Bindung absolut auf Gegenseitigkeit beruht, würde ich dies keinesfalls pathologisch nennen“, erklärte er der Zeitschrift. Und weiter: „Wenn eine Beziehung auf einer so positiven und liebevollen Basis steht, sollte sie nicht voreilig abgebrochen werden.“ 

Im Jahr 1987 schrieb Money ein lobendes Vorwort zu einem ungewöhnlichen, in den USA erschienenen Buch mit dem Titel Boys on their Contacts with Men, herausgegeben von dem niederländischen Professor Theo Sandfort. Es enthält angeblich mündliche Aussagen von 11-jährigen Jungen, die die sexuelle Lust mit 60-jährigen Männern überschwänglich beschreiben. „Wir“, schrieb Money, „werden für die Menschen, die nach dem Jahr 2000 geboren werden und aufwachsen, Geschichte sein, und sie werden sich über unsere wichtigtuerische, moralistische Unkenntnis der Grundprinzipien der sexuellen und erotischen Entwicklung in der Kindheit wundern.“ Und er schloss mit dem Satz: „Dies ist ein äußerst wichtiges und äußerst positives Buch.“ 

Auf Kritik an solchen öffentlichen Äußerungen reagierte Money stets mit einem Gegenangriff. Er machte seine Kritiker lächerlich, da sie einem nach seiner Meinung überholten sexuellen Puritanismus anhingen. In einem autobiografischen Aufsatz, der 1985 in dem Sammelband Venuses, Penuses erschien, bezeichnete er sich selbst als „Missionar“ des Sex und schrieb stolz: „Es ist für die Gesellschaft nicht so einfach, sich zu ändern, wie für mich im ländlichen Neuseeland, als ich mich von dem Erbe des Fundamentalismus und Viktorianismus löste, das im 20. Jahrhundert fortgedauert hatte.“

Anmerkungen

1 Schwarzer, A., Der kleine Unterschied und seine großen Folgen, Frankfurt, Neuausgabe 2002, S. 240.

2 Bronstering, A., Wählen, wechseln, werden – Zur rechtlichen Rahmung geschlechtlicher Identität, in: Degele, N., Gender/-Queer Studies, Paderborn 2008, S. 170-171.

3 Colapinto, J., Der Junge, der als Mädchen aufwuchs, Goldmann München 2002.

4 Paidika, The Journal of Paedophilia, Vol. 2, No. 3, 1991, S. 2-13.

Von

  • John Colapinto

    Journalist und Mitarbeiter beim US-amerikanischen Magazin The New Yorker. Er erhielt 1998 den National Magazine Award für einen Artikel über David Reimer.

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