Und das ist nicht gut so

Christl R. Vonholdt

Justizministerin Brigitte Zypries will ein Gesetz durchbringen, das homosexuell lebenden Paaren ein uneingeschränktes Adoptionsrecht ermöglicht. Ist das zum Wohl des Kindes? Zu dieser Frage nimmt der folgende Artikel Stellung.

06.10.2008

Das Mädchen war 17 Monate alt, als die Mutter sich von ihrer lesbischen Partnerin trennte. Das Kind, das durch Samenspende gezeugt war, lebte fortan allein bei der Mutter, den Vater hat es nie gesehen. Jetzt hat die frühere Partnerin das Sorgerecht für das heute sechsjährige Mädchen beantragt. Möglich wurde der Antrag, weil der US-Bundesstaat Vermont die lesbische Partnerin zum zweiten, gleichberechtigten Elternteil, zur zweiten Mutter, erklärte. Noch im Oktober soll die Entscheidung fallen.
Die Kanadierin Dawn Stefanowicz beschreibt in ihrer lesenswerten Autobiografie Out from Under (2007) ihr Leben als Kind mit einem homosexuellen Vater. Obwohl sie ihren Vater sehr liebte, hat ihre Entwicklung und ihr Leben durch die zahlreichen, rasch wechselnden Sexualpartner des Vaters und dadurch, dass sein Leben im Wesentlichen um seine Partner und um Sex kreiste, Schaden genommen.
2007 wurde in England der sexuelle Missbrauch an vier Jungen (8 bis 14 Jahre alt), die bei einem homosexuell lebenden Männerpaar in Pflege waren, lange nicht aufgedeckt. Die zuständigen Sozialarbeiter befürchteten, als homophob gebrandmarkt zu werden und gingen deshalb ersten Hinweisen auf Missbrauch nur zögerlich nach.
Drei Einzelbeispiele, gewiss. Doch weisen sie auf grundlegende Fragen hin, die sich beim Thema Gleichstellung von homosexuell lebenden Paaren mit Ehepaaren im Adoptionsrecht aufdrängen.

1. „Homosexuelle Familie“ als Alternative?

Es gibt kaum ein anderes Gebiet, in dem die sozialwissenschaftlichen Fakten so umfangreich und so eindeutig sind: Die Familienstruktur hat Einfluss auf die Entwicklung des Kindes. Kinder wachsen am besten auf, wenn sie mit beiden biologischen Eltern zusammenleben und diese miteinander verheiratet sind. In diesem Setting gibt es die größten Entwicklungsmöglichkeiten, die wenigsten psychischen Erkrankungen und die besten Chancen für das Kind, später selbst eine gelingende, tragfähige Partnerschaft einzugehen. Die Forschung zeigt außerdem eindeutig, dass Mutter und Vater in der Beziehung zu ihren Kindern nicht austauschbar sind. Ausführlich stellen etwa die führenden Bindungsforscher Klaus und Karin Grossmann dar, dass Vater und Mutter geschlechtsabhängig Verschiedenes in die Erziehung einbringen und erst in ihrer Ergänzung die Grundlagen für die psychische Sicherheit des Kindes legen.
Die Folgen von Vater- und Mutterentbehrung sind bekannt. Nach amerikanischen Studien kommen 63% der jugendlichen Selbstmörder, 71% der schwangeren Teenager, 85% der Jungkriminellen und 75% der Drogenabhängigen aus vaterlosen Familien. Eine Langzeitstudie aus Schweden (2003) zeigt, dass Kinder, die ohne Vater oder ohne Mutter aufwachsen, häufiger psychisch krank sind, suizidgefährdeter sind und häufiger an Suchtkrankheiten leiden. Das gilt auch dann, wenn die Entbehrung nicht mit sozioökonomischen Nachteilen verbunden ist.
Es geht beim Adoptionsrecht also nicht zuerst darum, ob homosexuell lebende Paare Kinder lieben, es geht um etwas ganz anderes.
Ein homosexuelles Paar wird dem Kind immer, und zwar vorsätzlich, eine Mutter- oder Vaterentbehrung zumuten. Es kennzeichnet die homosexuelle Beziehung, dass das andere Geschlecht geplant und strukturell aus der Nähebeziehung ausgeschaltet bleibt. Diese bewusste Distanz und Abwendung entweder vom Männlichen oder vom Weiblichen  wird sich auf Jungen und Mädchen – jeweils verschieden – destruktiv auswirken.
Das alternative Familienmodell der homosexuellen Familie mutet dem Kind noch eine zweite, entscheidende Verletzung zu: Kinder mit alleinstehender Mutter oder Vater dürfen wissen, dass jemand in der Familie fehlt. Sie können die Lücke betrauern und damit konstruktiv verarbeiten. Homosexuellenverbände behaupten aber, die alternative Familie mit „zwei Müttern“ und „zwei Vätern“ sei eine „komplette“ Familie, es fehle ihr nicht wirklich etwas. Wer anderes behauptet, diskriminiere die neue Familienform. Genau hier geschieht das zweite Unrecht am Kind: Nicht nur leidet es an der Vater- oder Mutterentbehrung – es kann diesen Verlust weder benennen noch betrauern. Damit bleibt die Wunde abgespalten und kann nicht heilen.
 
Noch einmal: Es geht beim Adoptionsrecht nicht zuerst darum (wie immer wieder behauptet wird), ob homosexuell lebende „Eltern“ gut für Kinder sorgen können, es geht viel wesentlicher um die Familienstruktur, um die Präsenz des Weiblichen und des Männlichen in der Familie. Wo eines davon  tragischerweise und ungeplant fehlt, muss dies vom Kind betrauert werden können. Wo dies strategisch verhindert wird, leidet das Kind doppelt.
Es gibt bisher keine wissenschaftliche Untersuchung, die eine Ebenbürtigkeit „homosexueller Elternschaft“ mit heterosexueller Elternschaft nachweisen könnte. Viele Befragungen bestehen aus eher oberflächlichen Interviews mit homosexuell lebenden „Eltern“ und deren Kindern. Die „Eltern“ haben verständlicherweise ein Interesse daran, ihre Beziehung zu den Kindern möglichst positiv darzustellen. Die Kinder wiederum werden einem fremden Interviewer gegenüber ihre „Eltern“ zu schützen suchen. Handfeste empirische Resultate sind davon kaum zu erwarten.

2. Belastete Lebensumstände und chronischer Stress

Immer wieder wird behauptet, die durchschnittlichen Lebensumstände eines homosexuell Lebenden und eines heterosexuell Lebenden unterschieden sich in nichts außer im Geschlecht der Partner. Das stimmt aber nicht.
 
Bei homosexuell lebenden Männern und Frauen ist die Häufigkeit psychischer Erkrankungen etwa dreimal so hoch wie unter heterosexuell Lebenden. Es gibt kaum eine andere Gruppe vergleichbarer Größe in unserer Gesellschaft, in der psychische Erkrankungen so gehäuft vorkommen. Dazu gehören Depressionen, Suizidversuche, Angststörungen und Substanzenabhängigkeiten. Dass diese Probleme im Wesentlichen auf eine Diskriminierung der Homosexualität durch die Gesellschaft zurückzuführen seien, konnte bisher nicht belegt werden.
Psychische Erkrankungen der Erwachsenen aber führen zu chronischem Stress und Depressionen bei Kindern. Psychisch anfällige Erwachsene können ihren Kindern gegenüber auch nur begrenzt emotional präsent sein. Hier wird zwar behauptet, man prüfe jeden Einzelfall. Doch gibt es heute schon weit mehr stabile Ehepaare, die ein Kind adoptieren möchten als Kinder, die zur Adoption freigegeben sind. Warum sollte man also angesichts der genannten psychischen Risikofaktoren den Personenkreis für ein Adoptionsrecht erweitern?
 
Homosexuelle (männliche) Partnerschaften, das zeigen zahlreiche Studien, sind weniger stabil als Ehen. Der Basler Psychologieprofessor und Protagonist der Homosexuellenbewegung Udo Rauchfleisch schreibt, das häufige Wechseln von Sexualpartnern sei der „erste Unterschied“ zwischen Homosexualität und Heterosexualität. Eine Studie aus Holland (2003) mit jungen, homosexuell lebenden Männern kommt zu dem Schluss, dass die Männer, die in einer festen homosexuellen Partnerschaft lebten, im Durchschnitt acht sexuelle Nebenbeziehungen pro Jahr hatten. Diese Instabilität, das sich immer wieder neue Einlassen auf die wechselnden Partner des Vaters, ist für ein Kind eine emotionale Überforderung und trägt zu chronischem Stress bei.
Es darf auch nicht vergessen werden, dass es in unserer Gesellschaft durchaus sehr unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, wie homosexueller Sex moralisch zu sehen ist. In dieser Auseinandersetzung können verwundbare, wehrlose Kinder leicht instrumentalisiert werden, um über sie eine gleichberechtigte Anerkennung homosexueller Verhaltensweisen durchzusetzen. Das ist genau genommen eine Form von Missbrauch.

3. Grenzverletzungen in einer sexualisierten Atmosphäre

Eine Umfrage in der Homosexuellenzeitschrift „Genre“ (1996) unter mehr als 1000 Lesern ergab, dass 52% Sex in öffentlichen Parks hatten, 46% in öffentlichen Saunen, 26% hatten für Sex bezahlt und 32% fesselten sich gegenseitig während sadomasochistischer Handlungen. Homosexuell Lebende benutzen häufiger Sexspielzeuge wie etwa Dildos. Hat es keinen Einfluss auf ein heranwachsendes Kind, wenn es das zu Hause findet?
In der Familie mit Mutter und Vater ist Sexualität in der Regel auf die Beziehung der Ehepartner begrenzt, Promiskuität gilt weitgehend als Verstoß. Für homosexuell lebende Männer ist nach ihren eigenen Angaben sexuelle Treue die Ausnahme und Promiskuität die Norm. Das aber trägt zu einer massiven latenten oder offenen Sexualisierung der Lebens- und Beziehungswelt des Kindes bei. Wie etwa soll ein adoptierter Heimjunge im Jugendlichenalter erkennen, ob das gemeinsame Duschen mit seinen homosexuell sich verhaltenden „Vätern“ auch ihn atmosphärisch sexuell miteinbezieht oder nicht? Es muss ihn verwirren und verletzen. Für einen Heranwachsenden ist es eine Überforderung, in einem sexualisierten Umfeld die eigene sexuelle Nichtverfügbarkeit zu formulieren und die eigenen Grenzen zu schützen.
 
Die Forschung hat noch keine abschließenden Erkenntnisse darüber, ob homosexuell Lebende z.B. minderjährige Jugendliche häufiger sexuell belästigen als es heterosexuell Lebende tun. Einiges spricht aber dafür.  
Eine Studie (1988) fand: Junge Männer, die als Kinder homosexuell belästigt worden waren, bezeichneten sich später im Vergleich mit denen, die keinen homosexuellen Missbrauch erlitten hatten, siebenmal häufiger selbst als homosexuell. Viele von ihnen stellten einen Zusammenhang zwischen Missbrauch und späterer Homosexualität her. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Studie (2001), die fast 1000 Studenten (Männer und Frauen) und Teilnehmer einer Gay-Parade befragte.
Bevor über ein allgemeines Adoptionsrecht nachgedacht wird, muss ein struktureller Zusammenhang zwischen sexueller Grenzverletzung von Kindern/Minderjährigen und homosexuellem Umfeld eindeutig ausgeschlossen werden. Dabei geht es nicht nur um die beiden sich homosexuell verhaltenden „Eltern“, sondern auch um das damit verbundene homosexuelle Umfeld, in dem Sex und sexuell getönte Verhaltenweisen eine wesentlich zentralere Rolle spielen als in einer üblichen ehelichen Beziehung von Mutter und Vater.

Erschienen in:

Tagespost (07.10.2008)

Von

  • Christl Ruth Vonholdt

    Dr. med., Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, frühere Leiterin des Deutschen Instituts für Jugend und Gesellschaft. Arbeitsschwerpunkte: Identität, Identitätsentwicklung, Bindungstheorien, Sexualität, Auseinandersetzung mit den Gender-Theorien und christliche Anthropologie.

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