Christlicher Glaube und Homosexualität

eine Frage nach dem Menschenbild

Seit der Frühe der Menschheit gibt es homosexuelles Verhalten. Im Gegensatz zu anderen Kulturen (z.B. Griechenland) wurde es im Judentum und Christentum immer abgelehnt. Es wurde als Sünde angesehen, wörtlich: als Zielverfehlung1 – in Bezug auf die Schöpfungsbestimmung des Menschen als Mann und Frau.

Geschaffen „nach dem Bild Gottes“ (Gen. 1,26-30) soll der Mensch in der sichtbaren Wirklichkeit etwas widerspiegeln vom Wesen Gottes. Dieser „Mensch“ ist nach Genesis 1,27 - und das ist eine eigentümliche Spannung - zwar einerseits der je einzelne Mann oder die Frau und doch ist andererseits der ganze „Mensch“ erst „männliches und weibliches Geschöpf“ gemeinsam. Es ist wie bei den beiden Seiten einer Münze: Zwar ist auch der einzelne Mann und die einzelne Frau Träger der Ebenbildlichkeit Gottes, doch gleichzeitig ist der ganze Mensch nach dem Bild Gottes erst die einmalige dialogische Gemeinschaft von Mann und Frau. Der ganze Mensch, „ha-adam“ ist nach Gen. 1,27 erst „männliches und weibliches Geschöpf“ gemeinsam.2 Nach biblischem Verständnis ist der Mensch dabei gerade kein androgynes Wesen, die geschlechtliche Unterscheidung bleibt: Der ganze Mensch, das sind erst zwei gemeinsam: männliches und weibliches Geschöpf.

Wenn diese Einzigartigkeit der Zusammengehörigkeit und Aufeinanderverwiesenheit von männlichem und weiblichem Geschöpf in unserer Welt nicht mehr sichtbar wird, z.B. indem wir homosexuelle Lebensweisen in der Kirche gutheißen, verletzen wir das Bild des Menschen und verdunkeln dadurch das Bild Gottes auf der Erde.

Unser Frau- und Mannsein soll uns daran erinnern, dass wir auf Ergänzung - und in geschlechtlich-sexueller Hinsicht auf Ergänzung durch das andere Geschlecht hin - angelegt sind. Nach biblischem Verständnis sind Menschsein und Sich-transzendieren-müssen, Über-sich-selbst-hinausweisen-müssen, eines. Wir sind geschaffen, um aus uns herauszuweisen auf das hin, was wir nicht sind: der Mann auf die Frau, die Frau auf den Mann und beide gemeinsam auf Gott.

Das irdische Abbild - nach Genesis 1,27 im Vollsinn erst „männliches und weibliches Geschöpf“ gemeinsam - weist auf das göttliche Urbild hin. Jean Vanier3 bezeichnet deshalb die Ehe zwischen Mann und Frau als „Ikone Gottes“, also als das „Abbild vom Urbild“. Hier liegt der tiefste Grund, warum homosexuelles Verhalten im Alten und Neuen Testament so eindeutig abgelehnt wird: Homosexuelles Verhalten nimmt in eine Bewegung mit hinein, die nicht auf die gegenseitige Verwiesenheit von männlich und weiblich hinweist, sondern die die Geschlechter in entgegengesetzte Richtungen treibt. Homosexuelle Partnerschaften (nicht der einzelne homosexuell Empfindende!), in denen entweder das männliche oder das weibliche Element fehlen, sind nicht das „Abbild vom Urbild“.

Sichtbarer Ausdruck der Verwiesenheit auf das andere Geschlecht ist unser Leib. Unsere Sexualität ist die schöpferische Energie, kraft derer wir zum anderen Geschlecht hinüberreichen sollen. Erst in der Postmoderne entstand das gesellschaftstheoretische Konzept einer von unserer geschlechtlichen Identität als Frau oder Mann losgelösten Sexualität - als wäre sie freischwebend und wir könnten damit tun, was wir wollten, z.B. neue Identitäten erfinden: Homosexuelle, Bisexuelle, Transsexuelle usw.

In einem prohomosexuellen Buch heißt es: Die Ursehnsucht allen Liebens ist wohl die Sehnsucht nach dem eigenen Selbst. (…) Daher sind wir alle, die wir auf der Suche nach uns selbst sind, zutiefst homosexuell.“4 Die Botschaft der Bibel ist demgegenüber eine andere: Voraussetzung für Lieben ist nicht die Suche nach uns selbst, sondern das Begeistertsein vom Anderen. Die grundlegende biblische Aussage zur Ehe (Gen. 2,24) steht direkt im Anschluss an den Freudenruf des Mannes über das andere Geschlecht. Jesus wiederholt diese Aussage in Matthäus 19,4-6. Nicht die Suche nach uns selbst ist das Ziel menschlicher Beziehungen, sondern das Hinüberreichen zum Du.

Heute hört man: „Aber meine Homosexualität ist das Natürliche für mich, sie entspricht meiner Tiefenströmung, darum muss sie auch gut und gottgewollt sein.“ Hier wird die gefallene menschliche Natur zum Maßstab für das Gute: „Was mir zutiefst natürlich vorkommt, muss auch gut für mich sein.“ Das aber ist gnostischer Glaube, der besagt, dass der Mensch das Gute tief in sich selbst finden kann.5 Biblischer Glaube steht dem diametral entgegen: Gottes ethische (Heraus-)Forderungen sind dem natürlichen Menschen oft fremd. Der jüdisch-christliche Denker Rosenstock-Huessy kann deshalb sagen: Die treue Ehe zwischen Mann und Frau ist nichts „Natürliches“, sie ist der (gefallenen) menschlichen Natur abgetrotzt.

Manche sagen, für einige Menschen sei die Heterosexualität gut, für andere die Homosexualität. Im Grunde wird damit behauptet, Gott habe verschiedene Arten von Menschen geschaffen: heterosexuelle, homosexuelle, bisexuelle Menschen usw. Biblische Anthropologie dagegen lehrt, dass alle Menschen auf Ergänzung durch das andere Geschlecht hin angelegt sind. Gnostischer Glaube besagt, dass es für verschiedene Menschen verschiedene Individual-Werte gibt: Was für dich gut ist, muss noch lange nicht gut für mich sein. Der jüdisch-christliche Monotheismus dagegen ist egalitär: So wie es nur einen Gott gibt, so gibt es auch nur ein Gebot, nur ein Gut oder Böse für alle - aber gerade deswegen haben auch alle Menschen eine gleiche Würde vor Ihm.6 Es gibt nur ein Gebot, das allen Menschen gilt - ohne Ansehen der Person, der Umstände oder der persönlichen Neigungen: Wir mögen heterosexuelle, homosexuelle, bisexuelle, transsexuelle oder andere sexuelle Neigungen, Wünsche, Erfahrungen oder Sehnsüchte haben - unsere von Gott geschaffene Geschlechtlichkeit sagt uns, dass wir hingeordnet sein sollen auf das, was wir selbst nicht sind: das andere Geschlecht.

Wo immer in der Bibel homosexuelles Verhalten direkt erwähnt wird (Lev. 18,22; Lev. 20,13; Rö. 1, 26 f.; 1.Kor.6,9f.; 1.Tim.1,10), wird es negativ bewertet. Diese eindeutige Haltung wird an keiner Stelle aufgeweicht - obwohl die Autoren der Bibel durch die Jahrhunderte hindurch wussten, dass ihre heidnische Umwelt homosexuelle Erotik hochhielt.

Nach eindeutigem Gesamtzeugnis der Heiligen Schrift soll Nachfolge Jesu deshalb nur in treuer Ehe zwischen Mann und Frau oder in sexueller Enthaltsamkeit gelebt werden. Das hat die Kirche immer gelehrt. Sie sollte es auch weiterhin tun. Die sexuell-treue Gemeinschaft von Mann und Frau ist sichtbarer Hinweis auf den Treuebund, den Gott seiner Schöpfung geschworen hat und auf den die Bibel immer wieder in den Metaphern von Mann und Frau hinweist.

Sünde ist Zielverfehlung und damit letztlich Selbstverletzung: Wer sündigt, lebt gegen seine eigene, von Gott bestimmte Identität. Wir alle sündigen vielfältig auf vielen Gebieten unseres Lebens - homosexuelles Verhalten ist nur eine von zahlreichen Sünden. Für uns alle gilt in gleichem Maß: Umkehr ist möglich.

Der Artikel erschien zuerst in der theologischen Zeitschrift „Zeitzeichen“ 2005.


  1. Sünde griechisch: hamartia, wörtlich: nicht treffen, das Ziel verfehlen. 

  2. Ausführlich dazu: Trible, Phyllis: Gott und Sexualität im Alten Testament, Gütersloh 1993. Siehe auch Vonholdt, C.R., Ehe - die Ikone Gottes in der Welt, www.dijg.de

  3. Jean Vanier: Begründer der Arche-Bewegung. 

  4. Gissrau, B., Die Sehnsucht der Frau nach der Frau, Zürich 1993, S. 172. 

  5. Siehe: Die paganistische Revolution 

  6. Siehe Fußnote 5. 

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