Der Kampf gegen Pornografie ist noch nicht gewonnen
- Zwischen Scham und Faszination
- Wem gebe ich Rechenschaft?
- Der Kampf um den Ausstieg
- Der Feind im Ehebett
- Wo die Sehnsucht zur Ruhe kommt
Benjamin1 ist verheiratet, Vater von zwei Kindern und in Beruf und Gemeinde engagiert. Seit seiner Jugend spielen Nacktbilder und pornographische Phantasien für ihn eine Rolle. In seinem persönlichen Zeugnis gibt er uns Einblick in den Kampf gegen die Abhängigkeit und um ein Leben aus der Gottesnähe.
Seit vielen Jahren, genauer seit der Pubertät, seit meine Sexualität und das Interesse an Frauen erwacht ist, beschäftigt mich das Thema Selbstbefriedigung. Im Grunde sogar schon früher. Schon bevor ich sexuelle Empfindungen hatte, stimulierte ich mich selbst. Heute weiß ich, daß die Ursachen für meine frühe Suche nach Befriedigung und angenehmen Gefühlen in familiären Spannungen lagen, die mich überforderten. Die familiäre Situation führte bei mir zu einer tiefen Verunsicherung, die das Bedürfnis nach Geborgenheit und Schutz weckte. Die fand ich in der Isolation, allein in meinem Zimmer, und in der Selbstbefriedigung.
In der Pubertät kamen dann Bilder dazu, die ich irgendwo aufschnappte, die meine Neugier weckten und meine Sehnsucht sexualisierten: Katalogbilder von Frauen in Unterwäsche, Annoncen von eindeutigen Angeboten, Illustrierte mit Bildern halbnackter Frauen. Das alles entwickelte sich für mich zu einer eigenen Welt, in der Entspannung mit realen oder phantasierten Bildern von Frauen oder Sex gekoppelt waren. Meine Phantasie war voll von Frauen und Sex im Hochglanz-Format; die Realität war ganz anders. Ich war eher zurückgezogen und hatte wenig echte Freunde. Zum Glück fand ich immer Freizeitbeschäftigungen, die mich erfüllten und verhinderten, daß sich das alles zu sehr verselbständigte.
Zwischen Scham und Faszination
Neben der Entspannung hatte ich Schuldgefühle, die mir sagten, daß ich nicht in Ordnung sei. Im Grunde war mir schon immer – ganz abgesehen von den Schuldgefühlen – klar, daß diese Art, Sexualität zu erleben und zu gestalten, nicht das war, was ich eigentlich wollte. Aber es war eben meine lang praktizierte Art, mit inneren Konflikten umzugehen. Der Reiz, Neues und Anderes zu sehen, steigerte sich mit den Möglichkeiten, die sich mir boten. Mit 18 Jahren war der Zugang offen zu den sogenannten „Männermagazinen“. In der Ausbildungszeit, allein in einer Wohngemeinschaft mit sogenannten „Erotikfilmen“ im Nachtprogramm, (die bei Lichte betrachtet rein gar nichts mit Erotik, sondern nur mit Sex zu tun hatten), und später über das Internet wuchs meine Verstrickung in pornographische Inhalte. Immer spürte ich den inneren Konflikt: Ich wußte, daß es nicht in Ordnung war, konnte und wollte aber das Interessante und Reizvolle nicht von der Hand weisen.
In der Seelsorge wurde mir klar, daß Pornographie und Selbstbefriedigung nur ein äußeres Element innerer Defizite waren. Nach und nach wurden Wunden aus meiner Kindheit heil und Neues wuchs in meinem Leben. Damit verknüpfte sich der Wunsch, mehr in der Wirklichkeit zu leben als in Phantasiewelten.
Also stellte ich mich der Herausforderung, das Alte bleiben zu lassen und mich dem Neuen zuzuwenden. Aber jeder, der schon einmal versucht hat, eine feste Gewohnheit aufzugeben, weiß, wie schwer das ist. Es gibt jede Menge Versuchungen auf dem Weg. Der Teufel ist trickreich darin, günstige Gelegenheiten und Schwachpunkte auszunutzen. Einer seiner Tricks bei mir ist die Verharmlosung: „Das ist doch gar nicht so schlimm. Das ist doch keine Pornographie, das sind ästhetische Bilder, die zeigen, wie schön Gott den Menschen geschaffen hat.“ Da mag etwas Wahres dran sein, aber das Entscheidende war: Sobald ich mich wieder ein klein wenig darauf eingelassen hatte, war innerhalb von kurzer Zeit eine ganze Bildergalerie in großer Variationsbreite auf meiner Festplatte gelandet. Jederzeit verfügbar und noch nicht einmal mit Online-Kosten verbunden.
Wem gebe ich Rechenschaft?
In dem Auf und Ab der Jahre, in denen ich mit diesem Problem zu kämpfen hatte, wurde mir deutlich, daß ich Verbündete brauche. Ich brauche Freunde, denen ich Rechenschaft gebe über meinen Zustand. Und ich brauche eine Frau, die Bescheid weiß, womit ich kämpfe und mit der ich klare Absprachen treffen kann. Konkret heißt das:
- Meine Zeit im Internet ist beschränkt auf die Zeit vor 22 Uhr, wenn meine Frau noch wach ist.
- Wenn ich im Internet surfe oder E-Mails abrufe, bin ich nicht allein im stillen Kämmerlein.
- Unser Fernseher wurde mit dem Einverständnis meiner Frau verbannt.
- Meine Frau bekommt die Oberhoheit über alle Kataloge, die für mich schon immer eine Art Einstiegsdroge waren.
Der Kampf um den Ausstieg
Der entscheidende Punkt in meinem Kampf um Befreiung von dieser Abhängigkeit war die Ehrlichkeit vor mir selbst, vor meinen Verbündeten und vor Gott. Sobald meine Aufmerksamkeit im Kampf nachließ, wurde ich anfällig. Wenn ich „angefallen wurde“, gab es Situationen, in denen ich Kompromisse schloß – sofort nahm die Ehrlichkeit ab. Ich mußte lernen, mir einzugestehen, daß es Dinge gibt, die ich attraktiv und stimulierend fand, die aber doch nicht gut für mich sind. „Ja, das ist so. Aber das ist nicht nur gut so. Das ruft nach Veränderung.“
Dazu kam, daß ich immer wieder lernen mußte, daß mein Verhalten tatsächlich suchthafte Züge hat:
- Ich versuche es vor denen, die mir nahe sind, zu vertuschen.
- Ich bin allein damit.
- Ich komme immer wieder darauf zurück.
- Es hat starke Auswirkungen auf meinen Alltag: Meine Zuverlässigkeit leidet, denn ich habe nicht, wie angekündigt, meine Arbeit erledigt, sondern meiner Sucht gefrönt.
- Ich kann es nicht einfach lassen.
Der Feind im Ehebett
Ein weiterer Aspekt war viel unangenehmer: Ich mußte der Tatsache ins Auge blicken, daß ich mit meinem Verhalten meine Ehe belaste. Meine Welt voller sexueller Phantasien ließ sich von meinem Eheleben doch nicht so fernhalten, wie ich mir das gedacht hatte. Das zeigte sich darin, daß meine Frau sich besonders wenn wir miteinander schliefen heimatlos und ungeborgen fühlte bei mir. Damals war es uns ein Rätsel, wie das sein konnte. Jetzt denke ich, daß es spürbar war, daß da noch etwas anderes mit im Bett lag, selbst wenn ich mit meinen Gedanken im Augenblick nicht irgendwo anders war.
Wo die Sehnsucht zur Ruhe kommt
Ich kann keine triumphale Geschichte erzählen, die von kontinuierlichen Schritten des Loskommens berichtet, sondern eher von einem langwierigen und ermüdenden Prozeß. Auf der geistlichen Ebene geht es mir vor allem darum, mein Vertrauen darauf zu setzen, daß tatsächlich Gott allein meine Sehnsucht stillt. Ganz real. Noch nicht vollkommen und nicht immer so, wie ich es mir vorstelle, aber doch ganz real. Die Voraussetzung ist, daß ich mich nicht selbst dafür verantwortlich mache, daß meine Sehnsucht gestillt wird, sondern von Gott erwarte, daß er auf mein Vertrauen antworten wird. Das kann heißen, warten zu müssen, die Spannung tatsächlich auszuhalten. Mit der Zeit habe ich erlebt, – nicht immer, nicht automatisch –, daß der Drang, mich mit Stimulierendem selbst zu „versorgen“, nachläßt. Ich erlebe andere Arten von Entspannung, entdecke Schönes, für das ich bisher noch gar keinen Blick hatte. Mir geht es darum, mein Vertrauen auf Jesus allein zu setzen und eben nicht auf ihn UND meine Weise, mich zu versorgen. Ich will lernen, darauf zu trauen, daß seine Verheißung stimmt: Wenn ich zuerst (ausschließlich) nach seinem Reich und seiner Gerechtigkeit trachte, wird er mir alles andere zufallen lassen. Doch obwohl ich regelmäßig die Stille suche, mein Herz und mein Schicksal ihm anvertraue und auch wirklich Trost, Zuspruch und Bestätigung erlebe, bin ich nicht auf der sicheren Seite. Eigentlich im Gegenteil, die Unsicherheit verstärkt sich, da ich viel stärker die Kräfte zu spüren bekomme, die mich in eine andere Richtung zerren möchten. Neben allen Schritten, die ich vorangehe, gibt es auch das Fallen. Oder meine bewußte Abkehr; dann kümmert mich Gottes Verheißung nicht, ich schaue bewußt weg und treffe die Entscheidung, daß er mir jetzt egal ist, daß ich jetzt die „Erfüllung“ will und zwar sofort. Die vermeintliche „Erfüllung“ ist jedoch schnell verflogen, und ich muß dann diese Entscheidung mühsam wieder zurücknehmen, das heißt ans Licht bringen, vor einem Freund als Sünde bekennen. Solange ich das nicht tue, geht die durch Verharmlosung vernebelte Spirale weiter abwärts. Klingt das für Sie alles zu pessimistisch? Für mich manchmal auch. Ich wäre gerne schon viel weiter und würde dies als einen Rückblick auf einen Abschnitt meines Lebens schreiben, der längst abgeschlossen ist. Das ist aber nicht so. Durch Josef Pieper wurde ich auf den Satz von Hiob aufmerksam, der mir ein Zeugnis davon gibt, daß – egal wie verzweifelt ich meine Situation einschätze – es letztlich nicht entscheidend ist, ob die Situation gut ausgeht, sondern ob ich weiterhin auf Ihn hoffe. Dies öffnet mir den Blick für eine andere Realität, auch wenn mein Kampf ein geringerer ist:
„Wenn Er mich auch tötet, ich werde auf Ihn hoffen.“ (Hiob 13,15)
Der Autor ist der Redaktion bekannt. ↑